Mafia-Boss Sedat Peker hat in einem Videobeitrag zugegeben, einen Auftrag zur Ermordung eines kritischen Journalisten angenommen und seinen eigenen Bruder damit beauftragt zu haben. Der Auftrag dafür sei von Ex-Innenminister Mehmet Ağar gekommen.
Die Videos von Sedat Peker erreichen mittlerweile in der Türkei ein Millionenpublikum. Sie erschüttern die Öffentlichkeit und werfen einmal mehr ein Schlaglicht auf geheime Netzwerke von führenden Politikern mit mafiösen und rechtsradikalen Strukturen.
Vor allem Ex-Innenminister Mehmet Ağar nennt der Mafia-Boss immer wieder als Kopf eines kriminellen Staats im Staate. Die Mafia-Strukturen seien von ihm und weiteren Politikern immer wieder für Auftragsmorde sowie Einschüchterungen ausgenutzt worden. Tatsächlich ist der Politiker kein Kind von Traurigkeit.
Im Jahr 2011 wurde er zu einer Haftstrafe für seine Involvierung in den Susurluk-Skandal verurteilt. 2013 wurde er frühzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen.
In Susurluk ereignete sich am 3. November 1996 ein Verkehrsunfall. Unter den Todesopfern der stellv. Polizeipräsident von Istanbul, Hüseyin Kocadağ, das Führungsmitglied der rechtsradikalen Grauen Wölfe und gesuchter Drogenhändler sowie Auftragsmörder, Abdullah Çatlı und seine Freundin sowie Ex-Schönheitskönigin Gonca Us. Der Großgrundbesitzer und Führer von paramilitärischen Dorfschutz-Einheiten und Abgeordnete Sedat Edip Bucak von der damaligen Regierungspartei DYP (Partei des Rechten Weges) überlebte den Unfall.
In einem Report von Human Rights aus dem Jahr 1998 heißt es: “Dieser Unfall deckte die Zusammenarbeit und gemeinsamen Interessen von rechtsextremen Gewalttätern, die aufgrund politischer Verbrechen gesucht wurden, in mafiösen Aktivitäten involviert waren und die die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unterstützten, einerseits, und hochrangigen Verwaltungsbeamten, Polizeiführungskräften, Spezialeinheiten, bekennenden Militanten und Dorfschützern andererseits auf.”
Was war geschehen?
Am 6. Juli 1996 wurde im türkischen Teil von Nikosia auf Zypern der Journalist Kutlu Adalı mit einem Maschinengewehr erschossen. Der Mord gilt weiterhin als unaufgeklärt.
Der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verurteilte 2005 die Türkei mit der Begründung, dass keine ausreichenden und überzeugenden Untersuchungen zum Mord an Kutlu Adalı durchgeführt wurden.
Wer war Kutlu Adalı?
Kutlu Adalı war von 1961 bis 1972 Privatsekretär des konservativen Politikers Rauf Denktaş. Dem späteren langjährigen Präsidenten der Türkischen Republik Nordzypern. Nach der Trennung arbeitete er als Journalist, Dichter und Schriftsteller. In seinen Arbeiten kritisierte er die Türkei für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Nordzypern und setze sich für eine Wiedervereinigung mit dem griechischen Süden ein.
Hintergründe seiner Ermordung
Am 17. März 1996 fand in Famagusta an der Ostküste von Nordzypern ein Raubüberfall auf das St. Barnabas-Kloster statt. Von den maskierten und bewaffneten Männern wurden drei Wächter des orthodoxen Klosters überwältig und in einen Raum gesperrt. Die große Merkwürdigkeit beim Überfall. Es wurde nichts gestohlen!
Als größte Wahrscheinlichkeit für den Überfall gilt wohl eine Legende. Demnach habe ein türkischer Major, bei der türkischen Invasion von 1974, große Mengen von Diamanten, Gold, Juwelen sowie Silber aus griechischen Häusern, Kirchen, Banken sowie Juwelier-Läden gestohlen und es im Kloster vergraben. Beim vierstündigen Raubüberfall habe man die „Kriegsbeute“ gesucht und womöglich nach dem Fund auch mitgenommen.
Kutlu Adalı berichtete in Artikeln für die Zeitung Yenidüzen (Neuordnung) beharrlich in Richtung Aufklärung des Raubüberfalls. Ansatzpunkt waren dabei vor allem die Farben und Nummernschilder der benutzten Fahrzeuge. Zwei der benutzten vier Fahrzeuge waren auf zwei Mitarbeiter des Zivilschutzministeriums von Nordzypern (KTSST) registriert. Nach dem Artikel wurde die Zeitungsredaktion von der Behörde angerufen und bedroht.
Der Staat musste eine Beteiligung an der Aktion im Kloster eingestehen. Stabsoberst Galip Mendi vom „Zivilschutzministeriums von Nordzypern“, mittlerweile pensionierter General der Gendarmerie, gab zu, den „Türkischen Streitkräften auf Zypern“, Zivilfahrzeuge für eine militärische Aktion gegen die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) zur Verfügung gestellt zu haben. Im Kloster sei angeblich eine Waffe versteckt gewesen. Ergebnisse der Aktion seien ihm nicht mitgeteilt worden.
Das Mordkomplott – Geheimdienst, Soldaten und die Mafia!
Nach schriftlicher Aussage von Atilla Peker an die Staatsanwaltschaft in Istanbul hat ihn sein Bruder und Mafia-Boss Sedat Peker im März oder April 1996 ins Hotel Sheraton in Ankara einbestellt. Dort habe er dann den Auftrag bekommen, mit dem ehemaligen Soldaten und Geheimdienstmann Korkut Eken nach Zypern zu fliegen. Dort seien terroristische Soldaten- und Polizeimörder zu erledigen.
Am Folgetag seinen sie mit einem Flugzeug der Turkish Airlines geflogen. Man sei ohne Untersuchung direkt zur Maschine vorgelassen worden. Einem Beamten habe sein Begleiter, zwischen einer Vielzahl von Personalausweisen, den mit dem Namen „Mustafa“ gezeigt und sich damit registrieren lassen. Vor dem Betreten der Maschine habe er von Korkut Eken eine „Jericho“ (halbautomatische Selbstladepistole) zugesteckt bekommen. Bewaffnet sei er mit der Waffe ins Flugzeug gestiegen.
Nach dem Einchecken in einem Hotel sei man zum Zivilschutzministerium von Nordzypern. Dort habe man sich mit Stabsoberst Galip Mendi und Oberstleutnant Enver Tosun getroffen. In einem Nebenraum habe er von Korkut Eken eine Uzi-Maschinenpistole sowie eine Einweisung zur Befestigung eines Schalldämpfers bekommen.
Am Folgetag hätten sie in der Nacht mit einem Renault Toros das Haus vom Journalisten Kutlu Adalı sowie die Umgebung ausgekundschaftet. Das Haus habe einen kleinen Garten gehabt und sei nicht weit von einer Straße gelegen gewesen. Man sei nicht ins Haus, weil ca. fünf Personen drin waren. Er sei an diesem Abend mit der „Jericho“ am Körper und der „Uzi“ bewaffnet gewesen.
Am nächsten Tag seien sie erneut zum Haus und wieder seien sehr viele Stimmen im Haus zu hören gewesen. „Kommandant“ Eken habe ihm gesagt: „Auch wenn es nur drei Leute sind, sie sind alle PKKler. Wer Freundschaft zur PKK pflegt, ist auch PKK. Es wird nicht schaden, sie alle zu töten.“
Am dritten Tag sei man zum Kommandantenbüro eines Infanterieregiments gefahren. Der Regimentskommandeur haben von Korkut Eken den Auftrag bekommen, die Zielperson von zwei vertrauensvollen Männern anhalten zu lassen und ihn dann zu übergeben.
Ein paar Stunden später sei der Wagen der Zielperson angehalten worden. Man habe sich umgehend auf den Weg gemacht. Bei der Zielperson sei jedoch ein 15-jähriges Kind gewesen. Außerdem seien weitere Soldaten eingetroffen. Man entschloss sich deshalb, zum Büro des Kommandanten zurückzukehren. Dort habe der Regimentskommandeur die nicht korrekte Umsetzung seines Befehls kritisiert. Am Folgetag sei man vorerst unerledigter Aufgaben in die Türkei zurückgeflogen.
Später sei er wegen einer Körperverletzung ins Gefängnis von Paşakapisı in Istanbul gekommen. Über sein Handy habe ihn „Kommandant“ Eken angerufen. Er sei im Hotel Klasis eingecheckt und wolle Atilla Peker besuchen. Da an Samstagen keine Besuche erlaubt sind, sei er zu einem „Krankenhaus-Besuch“ unter Bewachung mit einem Taxi gefahren.
Beim Krankenhaus hätten bereits zwei Fahrzeuge gewartet. Zusammen mit einem Wächter und den Soldaten seien sie ins Hotel im Stadtbezirk Silivri gefahren. Während er ins Zimmer hoch sei, seien die Rekruten und der Wächter auf seine Anordnung hin in der Hotellobby geblieben. Oben hätte bereits sein Bruder Sedat Peker mit ein paar Männern gewartet.
„Kommandant“ Eken habe den Feldwebel und den Stabsunteroffizier zur Begrüßung auf die Stirn geküsst und sich für das Bringen von Atilla Peker bedankt. Mit einem Lächeln habe er gesagt: „Atilla, weißt Du schon, wir haben die Arbeit auf Zypern erledigt.“
Vor Zählung der Gefangenen sei er in den Morgenstunden wieder ins Gefängnis zurück gekehrt.“
PKK-Aktivitäten auf Zypern!
Der pensionierte Oberstleutnant Korkut Eken hat bereits jeden Vorwurf einer Verwicklung in den Mordfall zurück gewiesen. Er würde noch nicht einmal den Namen vom Journalisten kennen. Sein Kampf habe immer nur der PKK gegolten. Zusammen mit Atilla Peker sei er jedoch nach Zypern geflogen.
Generalleutnant Hasan Kundakçı (Türkischen Streitkräfte auf Zypern) hätte damals verstärkte PKK-Aktivitäten gemeldet. Mehmet Ağar habe als Leiter der „Zentralbehörde der türkischen Polizei“ reagiert und Korkut Eken daraufhin beauftragt nach Zypern zu gehen. Er selber hätte damals Spezialeinsatzkräfte bei der Polizei ausgebildet. Nachweislich war Mehmet Ağar jedoch nur bis zum 31. Oktober 1995 der oberste Behördenleiter der Polizei. Er wurde am 24. Dezember 1995 als Abgeordneter der Partei des rechtes Weges (DYP) ins türkische Parlament gewählt.
Atilla Peker sei auf seine Bitte hin mitgeflogen. In einem Zeitraum von 3 bis 5 Tagen habe man die Aktivitäten der PKK untersucht. Die Organisation habe Verletzte auf die Insel gebracht. Nach Behandlung im griechischen Süden seien die Verwundeten ins Camp Lavrio in Griechenland gekommen. Sein Bericht sei damals direkt an Generalleutnant Hasan Kundakçı gegangen.
Im Susurluk-Skandal musste auch Korkut Eken im Jahr 2001 für sechs Jahre in Haft. Bereits nach 2,5 Jahren durfte er das Gefängnis jedoch frühzeitig wieder verlassen.
Wer gab den Mordauftrag?
Nach Aussagen von Mafia-Boss Sedat Peker steht hinter dem Mordauftrag auf den Journalisten der ehemalige Innenminister Mehmet Ağar.
Unabhängig von diesen Vorwürfen steht dem ehemaligen Politiker sowieso neuer Ärger ins Haus. Er muss sich mit weiteren 18 Angeklagten erneut vor Gericht einem Prozess stellen. Hintergrund sind 18 ungeklärte Morde in den 1990er Jahren. Sein früherer Freispruch wurde von einem Berufungsgericht aufgehoben.
Erkan Dinar
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