Erkan Dinar

Ein Mafia-Boss als Knochenbrecher im Auftrag der AKP?

Ein Mafia-Boss als Knochenbrecher im Auftrag der AKP?

Der Mafia-Boss Sedat Peker hat in einem Videobeitrag in den sozialen Medien zugegeben, der Bitte eines AKP-Abgeordneten nachgekommen zu sein und einem ehemaligen AKP-Abgeordneten „die Knochen gebrochen zu haben“. Kurz darauf meldete sich der ehemalige AKP-Abgeordnete Feyzi İşbaşaran zu Wort und gab an, das Opfer eines Angriffs aus dem Jahr 2014 zu sein.

Seitdem der Mafia-Boss Sedat Peker im Dezember 2019 ins Ausland fliehen musste, lag seine Hoffnung auf baldige Rückkehr bei Innenminister Süleyman Soylu. Diesen habe er 20 Jahre lang unterstützt. Ihn sogar über seine rechte Hand, Erdal Aras, mit Bestechungsgeldern 2008 zum Parteivorsitzenden der DP (Demokratische Partei) gemacht. Im April 2021 sei seine Rückreise geplant gewesen. Stattdessen wurden mehrere seiner Objekte in der Türkei durchsucht und Personen festgenommen.

In mehreren Videos aus dem Kosovo verweist der rachsüchtige Mafia-Pate Peker nun auf Verstrickungen zwischen der AKP, Sicherheitsbehörden und der Unterwelt hin. Die Videos wurden bereits millionenfach angesehen. Darin bringt er sich auch selber mit Straftaten in Verbindung.

So habe ihn beispielsweise ein guter Freund und Abgeordneter, der erst im März 2021 wieder in den AKP-Parteivorstand gewählt worden sei, um Intervention bei einer Ehrenangelegenheit gebeten. Eine Person habe Präsident Erdoğan und seine Familie beleidigt.

Was war geschehen?

Am 7. Dezember 2014 kehrte der ehemalige AKP-Abgeordnete Feyzi İşbaşaran aus London nach Istanbul zurück. Aus seinem Hotelzimmer holte ihn die Polizei um 4 Uhr morgens für eine Beschuldigtenaussage ab. Er hatte den islamistischen Sektenanführer Adnan Oktar auf Twitter als „verrückt“ bezeichnet. Dieser daraufhin den Politiker angezeigt.

Sein Mobiltelefon wurde im Anadolu-Gerichtsgebäude zur Auswertung eingezogen. Nach der Aussage wollte man ihm wieder zurück ins Hotel fahren. Durch einen Anruf informiert, fuhren ihn die Polizisten jedoch zu einem anderen Polizeirevier. Dort warf man ihm die Beleidigung von Präsident Erdoğan und seiner Familie über einen Twitter-Beitrag vor. Er stritt es ab und musste die Nacht auf der Polizeistation verbringen.

Gegen 2:30 Uhr nachts informierte ihn der Oberkommissar über das Eintreffen von seinem Anwalt. Der Beschuldigte war überrascht, denn bisher hatte er noch niemanden über seine Festnahme informiert. Der „Anwalt“ İsmail Barbaros Aslan gab an, im Auftrag von Şefkat Çetin, damals der stellv. Parteivorsitzende der rechtsradikalen MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung), zu kommen. Auf einem Blatt Papier brauche er einen handschriftlichen Text, vermutlich ein Geständnis. Da er sich weigerte wurde der Ex-Abgeordnete İşbaşaran vom „Anwalt“ körperlich angegriffen. Die Polizei musste eingreifen und beide räumlich trennen. Im Nachgang wurde festgestellt, dass es sich bei der Person überhaupt nicht um einen Anwalt handelte.

Lynchmob vor der Polizeistation und dem Gericht

Am Folgetag sollte es zu einer erneuten Beschuldigtenaussage bei der Staatsanwaltschaft zum Gericht gehen. Um 9 Uhr morgens stand vor dem Polizeirevier jedoch ein organisierter Lynchmob von 100 Personen hinter dem AKP-Abgeordneten Metin Külünk. Dieser steuert u.a. ein AKP-Netzwerk von Organisationen und Gruppen in Deutschland. Dazu gehören der rechtsradikale Rockerclub „Osmanen Germania“ und die „Union Internationaler Demokraten“ als AKP-Lobbyorganisation für Europa. Auch gilt er als ein guter Freund des Mafia-Paten Sedat Peker und soll sogar auf seiner monatlichen Lohnliste stehen.

Nach der Wiederherstellung der Sicherheitslage vor der Polizeistation brachte man den Ex-AKP-Abgeordnete İşbaşaran unter Eierwürfen auf das Polizeiauto zum Gerichtsgebäude. Auf den Stufen wurde er von mehreren Leuten angegriffen. Dabei kam es auch zu Verletzungen von Polizisten.

Nach seiner Aussage bei einem Staatsanwalt wurde er für 43 Tage in ein Gefängnis gebracht. Beim Strafverfahren vor Gericht wurde er freigesprochen und die Ausreisesperre aufgehoben. Seitdem lebt er in London. Hinter dem Angriff vermutet er weiterhin den AKP-Abgeordneten Metin Külünk als Auftraggeber.

Regierungspolitiker als Auftraggeber für Einschüchterungen und Morde?

Der Fall erinnert an den sogenannten „Susurluk-Skandal“. In dem Ort Susurluk ereignete sich am 3. November 1996 ein Verkehrsunfall. Unter den Todesopfern Hüseyin Kocadağ (stellv. Polizeipräsident von Istanbul), Abdullah Çatlı (Führungsmitglied der rechtsradikalen Grauen Wölfe und gesuchter Drogenhändler sowie Auftragsmörder) und seine Freundin Gonca Us (Ex-Schönheitskönigin). Der Abgeordnete Sedat Edip Bucak (Großgrundbesitzer und Führer von paramilitärischen Dorfschutz-Einheiten) von der damaligen Regierungspartei DYP (Partei des Rechten Weges) überlebte den Unfall.

In einem Report von Human Rights aus dem Jahr 1998 heißt es: „Dieser Unfall deckte die Zusammenarbeit und gemeinsamen Interessen von rechtsextremen Gewalttätern, die aufgrund politischer Verbrechen gesucht wurden, in mafiösen Aktivitäten involviert waren und die die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unterstützten, einerseits, und hochrangigen Verwaltungsbeamten, Polizeiführungskräften, Spezialeinheiten, bekennenden Militanten und Dorfschützern andererseits auf.“

Am 4. November 1993 äußerte Ministerpräsidentin Tansu Çiller (DYP) vor der Presse, dass der Regierung eine Liste mit 60 Namen von kurdisch-stämmigen Geschäftsleuten vorliegen würde. Die Personen würden die verbotene PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) finanzieren. In den folgenden drei Jahren mussten 19 dieser Geschäftsleute sterben.

Erkan Dinar

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