Erkan Dinar

Armenien und der Ukraine-Krieg!

Armenien und der Ukraine-Krieg!

In Armenien sorgt die Diskrepanz in den Reaktionen des Westens auf die Kriege 2020 und 2022 für viel Bitterkeit. Bei grundsätzlicher Sympathie für das Schicksal der Ukraine werden „westliche Doppelstandards“ im Umgang mit Staaten beklagt, die den Frieden brechen.

Armenien ist infolge seiner Niederlage von 2020 noch enger an die Sicherheitspartnerschaft mit Russland gebunden als zuvor. Dementsprechend vermeidet die Regierung jegliche Äußerungen zum Krieg in der Ukraine. Russische Friedenstruppen sichern das Überleben der verbleibenden armenischen Bevölkerung in Rest-Karabach.

Im Windschatten des Krieges erhöht Aserbaidschan hier den Druck: Am 8. März schnitt eine Havarie auf aserbaidschanisch kontrolliertem Territorium Karabach von der Gasversorgung ab: über 100 000 Menschen verbleiben bei niedrigen Temperaturen ohne Heizung. Armenische Siedlungen wurden wiederholt beschossen. Einschüchterungskampagnen des aserbaidschanischen Militärs haben offenkundig das Ziel, die armenische Bevölkerung zum Verlassen der Region zu bewegen.

Die armenische Hauptstadt Jerewan ist hingegen zum Zielort einer neuen Fluchtwelle geworden: Insbesondere gut ausgebildete Russen kehren Moskau und anderen Städten den Rücken, darunter neben Journalistinnen und Menschenrechtsaktivisten auch IT-Spezialisten und ganze Unternehmen. An einigen Tagen landeten 37 Maschinen aus Russland am Flughafen Zvartnots. Regierung und private Initiativen bemühen sich, diesen Zustrom als Chance zu nutzen und den Neuankömmlingen Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Gründung von Unternehmen zu leisten. Ob dieser „brain gain“ aber den erwartbaren Rückgang der Geldtransfers von armenischen Arbeitsmigranten aus Russland auffangen kann, bleibt fraglich.

Insgesamt wird der absehbare Zusammenbruch der russischen Wirtschaft überwiegend negative Folgen für den Südkaukasus haben – nicht nur aufgrund der Arbeitsmigration, sondern auch, weil Russland Hauptexportland für viele verarbeitete Produkte der Region ist.

Quelle: https://www.ipg-journal.de

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